Wenn ein niedlicher Pudel durch die Straßen läuft und freundlich bei Passanten um Hilfe fragt, ist es in Südeuropa schon fraglich, wie viele Menschen ihn überhaupt eines Blickes würdigen – aber, wenn ein Mastin-Mix von über 60cm Schulterhöhe dasselbe tut, fühlen sich doch einige Leute bedroht, fürchten um ihre Kinder, man zückt gerne Stöcke, Steine und die Hundefänger sind schnell gerufen. Hunde lernen schnell, und deswegen sind die sanften Riesen unter den Streunern oft sehr schüchtern, halten Abstand von den Zweibeinern und leben häufig außerhalb der Siedlungen.
Amazona ist ein entzückendes Herdenschutzhund-Mädchen, und hat das Dilemma mit den Menschen für sich sehr schlau gelöst. Unser kuschliger Neuzugang hatte beobachtet, dass eine Tierschützerin der ArcoNatura jeden Tag die verwilderten Katzen in einem Industriegebiet nahe Linares‘ fütterte und dachte wohl, dass sie dort nicht auffallen würde, wenn sie vielleicht einen leichten Buckel macht und hin und wieder etwas brummt, was man sicherlich mit einem Schnurren verwechseln könnte. Gut, die Katzen fielen auf den Schwindel nicht herein, und ich vermute, auch die freiwillige Helferin unserer Partner war sich schnell darüber bewusst, dass sie keinen Stubentiger vor sich hat, aber immerhin bekam Amazona etwas zu essen – und weil sie sehr zutraulich war und ein Industriegebiet ein denkbar ungeeigneter Aufenthaltsort für einen so großen Hund ist, bekam sie zusätzlich einen Transfer ins Tierheim unserer Freunde.
Jetzt wohnt die ca. eineinhalb Jahre alte (Stand 01/2021) Schönheit mit dem Bernhardinerblick in der ArcoNatura und kann dort geduldig warten, bis ihr jemand die Chance gibt, den kalten Zwinger mit einem Plätzchen vor (oder sogar auf) der Couch zu tauschen.
Amazona zeigt sich offen und liebevoll allen anderen Vierbeinern gegenüber, und sie hat viel Spaß daran, den Ehrenamtlichen bei ihrem Dienst zuzuschauen. Wenn die oft sehr beschäftigten Tierschützer genug Zeit haben, um Amazona einen privaten Moment zu schenken und sie in ihrem Tempo Kontakt aufnehmen lassen, zeigt sich das liebenswerte Fräulein auch schon begeistert von Streicheleinheiten und Extrakeksen, aber sie muss sich noch versichern, dass ihr niemand Böses will.
Wir suchen für Amazona eine Familie, die ihr geduldig und liebevoll die Welt erklärt. Kinder sollten neben einer gewissen Standfestigkeit viel Humor und das Verständnis mitbringen, dass Amazona schlechte Erfahrungen mit Zweibeinern machen musste und deshalb vielleicht nicht von Anfang an jeden Kontakt toll finden kann. Wer die Geduld aufbringt, zu warten, bis Amazona die ersten Schritte von sich aus macht (und das dauert bei ihr bekannten Personen mittlerweile oft nur noch Minuten), kann sich dafür auf Kuschelsitzungen der Sonderklasse einstellen.
Ein Herz aus Gold in dickem Mantel, melancholische Augen (aus denen aber schon der noch gut versteckte Schalk blitzt), das ist Amazona – und wir sind schon sehr gespannt, wessen beste Freundin unser Sahnestück bald sein wird, und wie sie ihre neue Karriere als XXL-Sofakissen meistert!